Anfang Juli 2024 gestalteten die beiden Künstler Jack Lack und Semor ein großformatiges Fassadenbild in der Maxstraße 58 in Bonn. Das Grundkonzept des Murals wurde in einem vorangegangenen Workshop entwickelt, an dem Künstler*innen und Wissenschaftler*innen des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels teilnahmen. Der detaillierte Entwurf zeigt ein Rotkehlchen im Landeanflug auf eine Blumenwiese. Von weitem sieht es so aus, als wolle es sich auf dem Dach des Vorderhauses niederlassen. Erst wenn man sich der Wand nähert, wird die Silhouette eines zweiten Vogels sichtbar und lädt die Betrachtenden zur freien Interpretation ein.
Durch die schrittweise Enthüllung des Bildes je nach Standort des Betrachtenden wird – ganz im Sinne des für das Mural gewählten Titels „Focusing“ – deutlich, dass es großer Aufmerksamkeit und eines genauen Blicks bedarf, um die Schönheit und Vielfalt der Natur in all ihren Dimensionen wahrzunehmen.
Projekt-Initiator:
Der Verein InUrFaCE e.V. ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Köln, der auf ein internationales Netzwerk von Wissenschaftler*innen aus der Biodiversitätsforschung als auch von Street Art-Künstler*innen zurückgreift. Der Verein organisiert Projekte, in denen aus einer interdisziplinären Kooperation großflächig bemalte Fassaden im öffentlichen Raum entstehen. Ziel ist es dabei, durch Kunst die Wertschätzung von biologischer Vielfalt in der Gesellschaft zu erhöhen und die Grundlage für einen bewussteren Umgang mit den Ressourcen der Natur zu schaffen.
Projekt-Partner:
Das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) widmet sich der Erforschung der biologischen Vielfalt und ihrer Veränderungen, deren Erkenntnisse von aufschlussreicher Bedeutung für die gesamte Gesellschaft sind. Um das anhaltende Massensterben von Flora und Fauna besser zu verstehen, erforschen die Wissenschaftler*innen die Zusammenhänge und Ursachen für die – oft menschengemachten – Veränderungen und suchen nach Lösungen für den Erhalt von Ökosystemen und Arten – der Lebensgrundlage der Menschen. Eingebunden und verbunden mit der Forschung zur biologischen Vielfalt ist der Wissenstransfer zu diesen Themen in den Museen mit ihren Forschungssammlungen und Ausstellungen für die Öffentlichkeit.
Projekt-Ermöglicher:
Die Dr. Hans Riegel-Stiftung mit Sitz in Bonn führt das gemeinnützige Vermächtnis des ehemaligen HARIBO-Mitinhabers fort mit dem Ziel, junge Menschen entlang der Bildungskette bei der Gestaltung der Zukunft zu fördern und nachhaltig zu begleiten. Zweck der Stiftung ist u. a. die Förderung der Bildenden Kunst und der historischen Kultur in Form der Pflege und Erhaltung von Kunst- und Kulturwerten und der Förderung der Erschließung von Kunst bzw. Kulturwerten für die Öffentlichkeit. Im Zuge dieses Satzungszwecks hat die Stiftung 2019 das operative Projekt „Walls of Vision“ ins Leben gerufen, bei dem historische Kunstwerke in Form von Fassadenkunstwerken („Murals“) interpretiert und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In diesem Kontext kooperiert die Stiftung regelmäßig auch mit anderen gemeinnützigen Initiativen bzw. Projekten.
Der in Stuttgart geborene Künstler Jack Lack hat bereits eine Vielzahl von großen Wandbildern weltweit geschaffen. Für ihn ist einer der interessantesten Aspekte der Street Art die Einbeziehung der Umgebung der Wände, so dass seine Arbeit vom Ort und seiner Atmosphäre abhängt.
Die Biodiversität oder biologische Vielfalt umfasst die Vielfalt aller Tier- und Pflanzenarten, die Vielfalt aller Lebensräume sowie die genetische Vielfalt innerhalb der verschiedenen Arten. Sie stellt die Existenzgrundlage der Menschen dar, da sie seine Versorgung, seine Gesundheit und sein Wohlergehen sicherstellt. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Rückgang der biologischen Vielfalt durch Aktivitäten des Menschen dramatisch beschleunigt. Trotz Zuspitzung der Lage ist das öffentliche Bewusstsein für die anhaltende Biodiversitätskrise bisher leider nur geringfügig vorhanden. Der Verein InUrFaCE versucht daher, dieses zukunftsrelevante und wissenschaftlich fundierte Thema künstlerisch aufzugreifen und die Menschen über die emotionale Ebene dafür zu sensibilisieren.
Das Grundkonzept für das Wandbild wurde Ende April 2024 in einem zweitägigen Workshop am Museum Koenig in Bonn entwickelt. Inspiration erhielten die Künstler*innen bei Führungen hinter die Kulissen des Museums inklusive Einblicke in die naturkundlichen Sammlungen. Voller Eindrücke und gemeinsam mit den Wissenschaftler*innen diskutierten sie erste Ideen für Skizzen. Begeistert von der ungewöhnlichen Zusammenarbeit kamen die Teilnehmenden zu dem Schluss, dass „wir vielleicht alle ähnliche Nerds sind“.
Dr. Carola Greve (zweite von links), Mitgründerin des Vereins InUrFaCE e.V. arbeitet als Laborleiterin am LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik am Senckenberg Museum in Frankfurt.
Dr. France Gimnich (links im Bild), ebenfalls Mitgründerin des Vereins InUrFaCE e.V. arbeitet als Sammlungsmanagerin der LIB Biobank in Bonn.
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